Mensch, bist Du ein Träumer!

Wortwörtlich Recht hatte John Lennon, als er sang: «You may say I’m a dreamer, but I’m not the only one», also «Du kannst sagen, ich bin ein Träumer, aber ich bin nicht der einzige». Tatsächlich verbringt jeder Mensch rund fünf Jahre des Lebens mit träumen. Doch wozu dient das Träumen? Und lässt es sich im Alltag nutzen?

Voller Neugier folgt Alice einem weissen Kaninchen in seinen Bau – und fällt in die Tiefe. Hinter einer kleinen Tür tut sich eine seltsame Welt auf. Alice begegnet einer Vielzahl skurriler Kreaturen, der Grinsekatze, dem verrückten Hutmacher, tanzenden Spielkarten und einer falschen Schildkröte, um nur einige zu nennen. Was Alice im Wunderland erlebt, passiert Schlafenden Nacht für Nacht. Sie träumen. Nur erinnern sich die meisten nach dem Aufwachen nicht mehr daran. Dabei verbringt jeder Mensch rund fünf Lebensjahre im Traum. Verblüffend ist, während der Schlaf gut erforscht ist, weiss die Wissenschaft bis heute nicht abschliessend, warum geträumt wird.

Träume verändern sich mit dem Alter

Sicher ist: Schon Säuglinge träumen. Kinder träumen voller Fantasie, vom Zaubern und oft von Tieren – und manchmal erleben sie schreckliche Albträume. Mit zunehmendem Alter handeln die Träume oft von Beziehungen zu Freundinnen und Freunden, zu Lehrpersonen, zu Arbeitskolleginnen und -kollegen, zu Partnerin oder Partner. Die Träume Erwachsener drehen sich auch um Unsicherheiten, um das Verantwortungsgefühl gegenüber Kindern und Aufgaben. Seniorinnen und Senioren dagegen träumen viel vom Reisen, haben weniger Albträume und sind beim Träumen oft gesund und frei von körperlichen Einschränkungen. Geträumt wird übrigens in allen vier Schlafphasen, also beim Einschlafen, bei leichtem Schlaf, im Tiefschlaf und am häufigsten und lebhaftesten in der REM-Phase, die auch als Traumphase bezeichnet wird. Die drei Buchstaben stehen für «Rapid Eye Movement» und bezeichnet die Schlafphase, in der sich die Augen unter den geschlossenen Lidern hin- und herbewegen.

Das Trainingslager für das wache Ich

In ihren Träumen erleben Schlafende das gleiche Ich-Gefühl wie im Wachzustand. Forschende vermuten deshalb, dass Träume eine Art Trainingslager für das wache Ich darstellen. In ihrem Buch «What Do Dreams Do» hat die Psychologin Susan Llewellyn vier Funktionen von Träumen herausgeschält. Demnach waren Träume ursprünglich wohl eine Art Übungsfeld für Bedrohungssituationen. Der frühe Mensch bereitete sich so auf seine Umwelt vor – etwa, indem er Fluchtreaktionen einübte. Zweitens kann Träumen dem Verfestigen von Erinnerungen an Dinge, die man gelernt hat, dienen. Nervenzellen, die dabei im Gehirn aktiviert werden, verbinden sich bei häufigem Wiederholen dauerhaft miteinander. Das Träumen ähnelt damit Visualisierungstechniken: Was sich jemand bildhaft vorstellt, prägt sich dauerhafter ins Gedächtnis ein. Eine dritte Funktion des Träumens kann das Entscheiden sein. Im Traum werden neue Assoziationen hergestellt und durch unbewusstes Kombinieren entstehen neue Lösungen. So folgt viertens die Kreativität: Im entspannten Traumzustand werden Dinge anders beurteilt und in neue Zusammenhänge gestellt.

Kreative Lösungen finden

Träumen kann also helfen, Gelerntes zu festigen, aufrüttelnde Ereignisse zu verarbeiten, den Geist in ein emotionales Gleichgewicht zu bringen, sich besser an Vergangenes zu erinnern – und kreative Lösungen für Alltagsaufgaben zu finden. Müsste man die ganze Traumforschung in einem Satz zu­sammenfassen, würde er wohl ungefähr so lauten: «Das Gehirn übt träumend für den Tag.» Unter Forschenden kursiert zudem die Idee der sozialen Funktion des Traums. Das heisst, indem Sie anderen von Ihren Träumen erzählen und sie in Ihre Innenwelt blicken lassen, vertiefen Sie Beziehungen und gewinnen gemeinsam neue Erkenntnisse. Genau das macht Alice. Im Verlaufe ihrer Reise immer mutiger geworden, ruft sie den Figuren im Gerichtssaal, die über ihre Enthauptung urteilen sollen, entgegen: «Ihr seid nichts weiter als ein Spiel Karten!» Worauf die Spielkartenfiguren bedrohlich auf Alice zuflattern. Sie erschrickt, wacht auf – und erzählt ihrer Schwester das ganze verrückte Abenteuer, das sie geträumt hat.

Suzana Cubranovic

 

TIPPS aus Ihrer Apotheke

Guter Schlaf ist wichtig

Sie können sich nie an Ihre Träume erinnern? Das lässt sich trainieren. Wiederholen Sie dazu direkt nach dem Aufwachen, noch im Bett, den Traum gedanklich und schreiben Sie ihn idealerweise in einem sogenannten Traumtagebuch auf. Mit zunehmender Übung gelingt das Erinnern immer besser – und das kann helfen, die eigenen Themen besser zu verarbeiten. Träumen ist mit einem guten Schlaf verbunden. Falls Ihnen dieser trotz guter Schlafhygiene fehlt, fragen Sie in Ihrer Apotheke nach rezeptfreien Produkten. Schlaffördernd wirken zum Beispiel Baldrian, Melisse, Lavendel, Passionsblumenkraut oder Hopfen. Dauern die Ein- oder Durchschlafstörungen länger als vier Wochen an und treten sie mindestens drei Mal pro Woche auf, ist ein Arztbesuch empfohlen.