Essstörungen – wenn sich alles nur noch ums Essen dreht

Typisch an einer Essstörung ist die zwanghafte Beschäftigung der Betroffenen mit Ernährung, Körpergewicht und Aussehen. Es wird in drei Hauptformen unterschieden: Anorexie (Magersucht), Bulimie (Ess-Brech-Sucht) und Binge-Eating-Störung (regelmässig auftretende Essanfälle ohne gewichts­regulierende Massnahmen). Da diese Essstörungen häufig als Mischformen auftreten, ist eine korrekte Diagnose nicht immer möglich. Auf den Spuren eines grossen, stillen Leidens.

Essstörungen sind komplex und weit verbreitet. Laut Bundesamt für Gesundheit sind in der Schweiz rund 280’000 Personen – darunter sehr viele junge Menschen – davon betroffen. Entsprechend zählen Essstörungen im jungen Erwachsenenalter zu den häufigsten chronischen Erkrankungen, die oft im Jugendalter ihren Anfang nehmen.

Essstörungen sind äusserst komplex und weit verbreitet.

Die Entwicklung einer Essstörung verläuft schleichend und scheint durch eine Kombination von Faktoren − etwa die genetische Vorbelastung, das soziale Um­feld und die psychische Gesundheit − beeinflusst zu werden.

Wenn die Seele schreit

Essstörungen haben in der Regel nicht nur einen Auslöser, die Gründe sind individuell geprägt und vielfältig. Eine Essstörung ist eine seelische oder psychosomatische Erkrankung mit Suchtcharakter. So können seelische Ursachen wie ein geringes Selbstwertgefühl oder traumatische Erlebnisse – wie Gewalterfahrungen, Trennung der Eltern oder der Verlust eines nahestehenden Menschen, die Neigung zu Perfektionismus oder ein hoher Leistungsanspruch an sich selbst – von körperlichen Auswirkungen bis hin zu gesundheitlichen Schädigungen führen. Als weitere Faktoren gelten psychische Erkrankungen eines Elternteils oder das Fehlen von positiven Vorbildern. Das Verhalten von Betroffenen wird bei Essstörungen zwanghaft. Das heisst, sie haben keine Kontrolle mehr, dem natürlichen Bedürfnis Essen nachzugehen, sondern enden in einer ständigen, zwanghaften Auseinandersetzung mit dem Thema Essen.

Betroffene und ihr soziales Umfeld sind sich oft nicht bewusst, dass Esstörungen langfristige und ernsthafte Gesundheitsschäden mit sich ziehen und zu schweren Entgleisungen des Hormonhaushaltes und des Stoffwechsels führen können. Schäden an Herz, Ver­dauungssystem, Knochen, Zähnen und Mundhöhle oder die Störungen des weiblichen Menstruationszyklus sind nur einige der Folgeerkrankung. Auch liegen bei weit mehr als der Hälfte der Menschen mit Essstörungen eine oder mehrere andere psychische Erkrankungen vor, wobei Depressionen und Angststörungen am häufigsten anzutreffen sind.

Anzeichen erkennen

Kennzeichnend für Essstörungen sind die ständigen Sorgen von Betroffenen um das eigene Gewicht und das Essen. Nahrungsverweigerung oder unkontrollierte Essanfälle sowie heimliches Essen oder Panik vor einer Gewichtszunahme – auch bei sehr dünnen Menschen – sind typisch. Wiederholte Episoden mit Aufnahme grosser Nahrungsmengen oder der Toilettengang während oder unmittelbar nach den Mahlzeiten gehören ebenso zur Verhaltensweise einer Person mit Essstörung wie exzessives Sporttreiben oder die übertriebene Einnahme von Nahrungsergänzungs- oder Abführmitteln, um Gewicht zu verlieren.

Meist kommt es zu einer Ablehnung des eigenen Körpers, zum kompletten Verlust des Selbstwertgefühls und somit zu einem hohen psychischen Leidensdruck, der in einer Negativspirale endet.

Myriel Nyffeler

Hilfe anbieten

Wenn Sie merken, dass ein Mitglied Ihrer Familie oder Ihres Freundeskreises Anzeichen einer Essstörung zeigt, sprechen Sie die Person an und sagen Sie, dass Sie sich um ihr Wohlergehen sorgen. Menschen mit Ess­störungen müssen unbedingt Zugang zu professioneller Hilfe bekommen und so schnell wie möglich behandelt werden. Die Behandlung einer Essstörungen umfasst eine Ernährungs-rehabi­litation, die auf die Normalisierung von Körpergewicht und Er­nährungsverhalten angelegt ist. Eine Psycho­therapie soll helfen, die irrationalen Vorstellungen in Bezug auf das Gewicht und das äussere Erscheinungsbild zu korrigieren, problematische Gefühle und Ängste zu bewältigen und Rückfälle zu ver­hindern. Medikamente können diesen Prozess zusätzlich begleiten. Ergänzend können unter anderem Ernährungstherapien oder Angebote zur Selbsthilfe hilfreich sein.

Die gute Nachricht ist, dass Betroffene in den meisten Fällen geheilt werden können. Da es sich dabei jedoch oft um eine chronische Erkrankung handelt, dauert der Genesungsprozess oft jahrelang, er ist langwierig und von Rückfällen geprägt.