Wenn Reize zu viel werden

Täglich strömen Hunderte von Reizen auf uns ein – bis eine Überforderung droht. Gegen eine solche Reizüberflutung kann es helfen, gezielt abzuschalten, sich abzuschotten und ganz bewusst einen Fokus auf die schönen Dinge zu setzen.

Während eine E-Mail getippt wird, zeigt unten rechts am Bildschirm ein Fenster an, dass gerade zwei neue einge­troffen sind. Das Telefon klingelt, zeitgleich wird aus den Augenwinkeln eine neue Nachricht auf dem Smartphone gelesen. Dann ruft der Kollege etwas herüber. Noch schnell einen Happen vom Mittagessen nehmen und plötzlich steht der Chef in der Tür und will Unterlagen zu einem neuen Projekt besprechen – den ganzen Tag strömen Hunderte von Reizen auf uns ein. Riechen, Schmecken, Hören, Sehen und Tasten nehmen wir permanent wahr, ebenso wie das Empfinden von Schmerzen und Temperaturen.

Unser Gehirn versucht, alle ankommenden Informationen umgehend zu verarbeiten, doch manchmal ist es zu viel. Dieses Gefühl einer akuten Überforderung mit allem, was gerade auf einen einwirkt, wird umgangssprachlich als Reizüberflutung bezeichnet. Eine Erkrankung ist das nicht. Wohl aber ein Zustand, der krank machen kann, wenn er zu häufig auftritt oder anhält. «Reize sind nur in einem begrenzten Rahmen objektivierbar», sagt Undine Lang, Klinikdirektorin an den Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) in Basel. «Der objektiv gleiche Schmerz kann für den einen nicht auszuhalten sein, während der andere ihn ignoriert und seinen Fokus auf andere Dinge richten kann», sagt sie. Eine Reizüberflutung ist demnach eine sehr subjektive Wahrnehmung. Sie hängt nicht nur ab von der Menge und Intensität der ankommenden Reize, sondern auch von der körperlichen Konstitution des Empfängers.

Agieren, statt reagieren

Besonders empfänglich ist der Mensch für Reize, wenn er unter Stress steht. In solchen Situationen schüttet der Körper besonders viel des Hormons Noradrenalin aus. Das erhöht den Antrieb und versetzt den Menschen in eine erhöhte Alarmbereitschaft. «Bei potenzieller Gefahr wachsamer zu werden, ist ein absolut sinnvoller Mechanismus der Natur», sagt Undine Lang, «wenn wir beispielsweise nachts im Dunkeln unterwegs sind, hören wir jedes Knacken, reagieren auf jedes Geräusch von Schritten, etwas, das wir tagsüber vielleicht gar nicht bemerken würden.» Sind wir im Alltag gestresst, nehmen wir mehr Reize wahr, die uns wiederum noch mehr stressen. Das ist ein Teufelskreis, der dazu führen kann, dass wir die Reize als bedrohlich einordnen. Wir sehen uns der Reizüberflutung machtlos gegenüber. Das kann zu Schlaf- und Konzentrationsstörungen führen, mittelfristig auch zu Depressionen.

«Es hilft, die Präsenz für die Sachen zu erhöhen, die einem wichtig sind.»
Undine Lang

Um sich den Reizen nicht ausgeliefert zu fühlen, empfiehlt Undine Lang, aktiv zu handeln, anstatt passiv zu reagieren. Ausschalten, abschotten und ausgleichen. Statt sich beispielsweise dem steten Strom der Nachrichten und E-Mails auszusetzen, sollte man Push-Meldungen auf dem Handy abstellen und sich Zeitintervalle setzen, in denen der digitale Posteingang gecheckt und Nachrichten konsumiert werden. «Es hilft, allgemein die Präsenz für die Sachen zu erhöhen, die einem wichtig sind», sagt Undine Lang. Wer seine Aufmerksamkeit konzentriert auf etwas richtet, kann Reize, die nebenher auf ihn einprasseln, besser ausblenden. So hilft es, einem Hobby nachzugehen, bei dem man sich sehr konzentrieren muss, egal ob das Malen, Golfspielen oder Musizieren ist. Auch Massagen mit hochwertigen Ölen aus der Apotheke tragen zur Entspannung bei. Viele Menschen können beim Duft von Lavendel, Ylang-Ylang, Orange oder Vanille gut abschalten. Besonders Menschen, die häufig bei ihrer Arbeit unterbrochen werden, weil sie ständig vielen Reizen ausgesetzt sind, sollten darauf achten, ob sie erste Symptome entwickeln, die auf eine Reizüberflutung und damit eine Überlastung hinweisen. Das kann nebst den genannten Schlaf- und Konzentrationsstörungen auch ein plötzlicher Leistungsabfall oder das verstärkte Bedürfnis sein, sich von allem und allen zurückzuziehen. «In solchen Fällen ist es wichtig, die ganzheitliche Erholung des Körpers zu unterstützen», sagt Undine Lang. Das gelingt mit Entspannungstechniken, gesunder Ernährung, erholsamem Schlaf, pflanzlichen Präparaten, die die innere Ruhe fördern, und bei Bedarf auch mithilfe einer erfahrenen Psychotherapeutin oder eines Psychotherapeuten.

Wie Lärm krank macht

Ein Geräusch wird dann als Lärm empfunden, wenn es das Wohlbefinden beeinträchtigt. Ob das der Fall ist, hängt nicht nur von der Lautstärke und der Art des Geräusches ab, sondern auch von der subjektiven Bewertung. Empfinden wir etwas als Lärm, kann das krank machen. Studien zufolge kann bereits ein geringer Lärmpegel zu mehr Stress, Konzentrations- und Schlafstörungen führen, wenn er uns dauerhaft belastet. Langfristige Folgen können ein erhöhter Blutdruck oder ein Herzinfarkt sein. Besonders schädlich ist nächtlicher Lärm; im Schlaf ist das Gehör besonders sensibel. Während wir die Augen schliessen können, sind die Ohren rund um die Uhr auf Empfang, sie können sich selbst keine Erholung vom Lärm verschaffen. Hier können Ohrstöpsel eine sinnvolle Hilfe sein.

Autor: Claudia Füssler

TIPPS aus Ihrer Apotheke

Diese Dinge helfen beim Entspannen:

  • Pflanzen wie Rosenwurz, Ginseng oder Taigawurzel helfen dem Organismus, sich bei erhöhten körper­lichen und emo­tionalen Stresssituationen anzupassen.
  • Omega-3-DHA-Präparate.
  • Produkte aus Ginkgo und Rosenwurz oder Grüntee fördern die Konzentration.
  • Melisse, Baldrian, Hopfen oder die Passionsblume fördern den Schlaf und die Entspannung.
  • Ätherische Öle mit Lavendel, Ylang-Ylang oder Bitterorange eignen sich ebenfalls.

Fragen Sie betreffend Anwendung und Dosierung dieser Präparate in Ihrer Apotheke nach.