Wenn die Firmenfeier Panik auslöst

Bei Menschen mit einer sozialen Angststörung lösen gesellschaftliche Anlässe und das Auftreten in der Öffentlichkeit übermässigen Stress aus. Wie viele davon betroffen sind und was wirklich hilft gegen die Angst.

Ein Auftritt im Theater, eine Party, auf der man kaum jemanden kennt, oder die Vorstellung eines Projekts beim Firmenanlass: Solche Situationen machen viele Menschen nervös. Man überlegt, wie man ankommen wird, hofft, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Die Hände sind vielleicht etwas feucht, die Stimme zittert leicht. Doch das legt sich bei den meisten wieder. Nicht so bei Menschen mit sozialer Angststörung. Für sie sind selbst scheinbar harmlose Situationen wie das Unterschreiben eines Dokuments vor Zeuginnen und Zeugen oder die Nutzung einer öffentlichen Toilette mit intensiven Ängsten verbunden. Betroffene fürchten, blossgestellt oder negativ bewertet zu werden. Wochenlang im Voraus kreisen ihre Gedanken um diesen Moment. Wenn er eintritt, rast der Puls, der Körper versteinert, der Blick weicht aus, die Stimme wird leise. Manche erleben ein «Mind Blanking», bei dem sich die Gedanken ausschalten, sich der Kopf leer anfühlt.

Betroffene fürchten, blossgestellt oder negativ bewertet zu werden.

Rund zehn Prozent betroffen

Soziale Phobie zählt zu den häufigsten Angststörungen. Rund jede zehnte Person ist im Lauf des Lebens betroffen. Ursache ist vermutlich, dass bestimmte Hirnareale unbegründete Angstgefühle nicht ausreichend regulieren können. In den meisten Fällen lässt sich eine Angststörung durch eine Psychotherapie behandeln. «Wenn der Leidensdruck hoch ist und die Lebensqualität eingeschränkt wird, ist es wichtig, professionelle Hilfe zu suchen», sagt Irmgard Kassens von der gemeinnützigen Organisation Angst- und Panikhilfe Schweiz (aphs). Je früher, desto besser. Denn unbehandelt verstärken sich soziale Ängste meist. Situationen konsequent zu meiden, helfe nicht weiter, sondern führe oft zu mehr Einschränkungen. Soziale Phobie wird diagnostiziert, wenn die Ängste seit mindestens sechs Monaten bestehen, mehrere soziale Situationen betreffen, regelmässig auftreten, stark belasten und nicht durch andere psychische Erkrankungen erklärt werden können.

Weihnachtszeit bedeutet Stress pur

In der Vorweihnachtszeit häufen sich gesellschaftliche Anlässe: Weihnachtsfeiern, Apéros, Familientreffen. Das bedeute für viele Betroffene Stress pur, so Irmgard Kassens. Zwar beobachte sie keine Häufung direkt vor Weihnachten, doch im Winterhalbjahr sei generell mehr los als im Sommer. Ihr Rat: Vor einem Anlass eine Vertrauensperson ins Bild setzen, die im Notfall unterstützt. Sich bewusst Rückzugsmöglichkeiten überlegen – auch ein kurzer Spaziergang kann helfen, Anspannung abzubauen. Im hektischen Dezember sollten gezielt Auszeiten eingeplant werden wie ein wärmendes Bad, ein gutes Buch, eine Meditation. Vor allem betont die Fachfrau, sollen Betroffene geduldig mit sich sein. Ein neuer Umgang mit Angst entwickle sich nicht über Nacht. «Doch mit eigener Motivation und der nötigen Unterstützung lässt sich ein Weg hin zu mehr Leichtigkeit und Lebensqualität finden», sagt sie.

Autor: Stephanie Schnydrig

Pflanzliche Mittel gegen Angst

Es gibt einige pflanzliche Präparate, die angstlösende Effekte haben können. Dazu gehört zum Beispiel ein Extrakt aus dem schmalblättrigen Lavendel, das in Form von Kapseln eingenommen wird. Die Wirkung zeigte sich in einer Studie unter der Leitung der MedUni Wien mit über 500 Patientinnen und Patienten mit einer moderaten bis schweren Angststörung. Ebenfalls helfen können Baldrian, Kamille und Zitronenmelisse.  Für alle genannten Präparate gilt: Nicht in der Schwangerschaft oder Stillzeit verwenden und sich stets von Fachpersonen in der Apotheke beraten lassen.