Leidenschaft und Lebensschule

Es glitzert und die Emotionen sprudeln über: Eiskunstlaufen zählt zu den beliebtesten Sportarten weltweit. Doch hinter den Kulissen geht es oft herausfordernd zu und her.

Die Musik geht an – der Tanz auf dem Eis beginnt. Elegante Bewegungen, kraftvolle Sprünge und schwindelerregende Pirouetten: Eiskunstlaufen zieht viele Menschen in den Bann. Was bei Profis federleicht aussieht, ist in Wirklichkeit harte Arbeit und eine exakte Technik, die in vielen Trainingsstunden einstudiert wird. Der Ursprung des Profisports geht auf Grossbritannien zurück – der erste Wettkampf wurde 1814 ausgeführt. Früher bestimmten vor allem das Klima eines Landes, ob der Sport ausgeübt werden konnte oder nicht. Auf gefrorenen Seen und Flüssen begannen Sportlerinnen und Sportler, dem Eislaufen Musik hinzuzufügen, setzten Tanz- und Ballett­elemente ein und schufen so den Eiskunstlaufsport.

Hinter einer elegant ausgeführten Kür steckt viel Muskelmasse.

Die Ausrüstung fürs Eiskunstlaufen

Eiskunstlaufen ist ein Zusammenspiel von Tanz und Technik. Scharf geschliffene Kufen an den Schlittschuhen sind das A und O für eine exakte und kunstvolle Ausführung von Sprüngen, Pirouetten und Schritten. Ganz gleich, um welches Element es sich handelt, es ist immer klar definiert, ob es über die linke Kante, über die rechte Kante oder über die Zacken am vorderen Teil der Kufen ausgeführt wird. Die Spuren, die auf dem Glatteis zurückbleiben, zeigen genau, ob eine Übung sauber ausgeführt oder ob gerutscht wurde. Es sind viele Komponenten, auf die es beim Eiskunstlaufen ankommt.

Kraft verpackt in Eleganz

Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufer lassen es sich kaum anmerken, doch hinter einer elegant ausgeführten Kür steckt viel Muskelmasse, die in effizienten Trainings auf und neben dem Eis aufgebaut werden muss. Zudem gehören eine gute Körperspannung sowie perfekte Körperbeherrschung dazu. Die Sportart birgt jedoch auch viel Verletzungspotenzial. Verstauchte oder gebrochene Knöchel, Knieverletzungen, Sehnenentzündungen und Muskelrisse sind die häufigsten Verletzungen von Eiskunstläuferinnen und Eiskunstläufern. Nebst gezieltem Muskelaufbau, gehören Termine bei der Physiotherapie oft zum Alltag von Eissportlerinnen und -sportlern, denn schwächelt der Körper, kann der Sport nicht ausgeführt werden. Zu gross ist die Gefahr, auf das harte Eis aufzuschlagen, sich dabei zu verletzten und für eine längere Zeit auszufallen. Doch neben den körperlichen Herausforderungen bringt das Eiskunstlaufen weitere Herausforderungen mit sich.

Jana Berisha

 

Psychische Belastungen im Sport

Wer Erfolg auf dem Eis haben will, ist grossen psychischen Strapazen ausgesetzt. Die Fingerspitzen gestreckt, das Kinn gegen den Himmel gerichtet, der Rücken stabil und der Winkel der Beine bei den Elementen exakt: die Anforderungen sind hoch. Nicht nur die Fussarbeit wird bewertet, sondern die ganze Körper­haltung, die Ausstrahlung und die Aus­führung. Die Umdrehungen der Pirouetten werden gezählt, die Beweglichkeit genau unter die Lupe genommen. Es ist das Gesamtpaket, das auf dem Eis stimmen muss. Wenn körperliche Gesundheit, mentale Stärke und Ausdruck beim Tanz im Einklang stehen, steht einer gelungenen Kür nichts mehr im Wege.

 

Interview mit Ilaria Fosca, Eiskunstläuferin

 Ilaria Fosca ist 23 Jahre alt und steht auf dem Eis, seit sie drei Jahre alt ist. Sie hat den Intergold-Test – dies ist die zweithöchste Kategorie, die der Schweizer Eislauf-Verband SEV abnimmt. Im Interview erzählt sie von Leidenschaft und Herausforderung.

Ilaria Fosca, wie haben Sie mit dem Eiskunstlaufen begonnen?

llaria Fosca: Als Dreijährige stand ich erstmals auf Schlittschuhen und beobachtete zugleich hautnah eine Pirouette. Fasziniert von der Geschwindigkeit und Eleganz dieser Eiskunst­läuferin stand für mich fest: Das will ich eines Tages auch können.

Tanz oder Technik: Was packt Sie mehr?

Definitiv der Tanz. Durch das Eiskunstlaufen kann ich meine Leidenschaft ausdrücken und je nach Musik der Kür in verschiedene Rollen schlüpfen. Doch als Perfektionistin wäre es gelogen, nicht zu sagen, dass ich ebenso gerne an der Technik schleife, um mich stets zu verbessern.

Wie oft haben Sie während Ihrer Spitzenzeiten trainiert?

Rund neun Mal pro Woche. Als ich aktiv an Schweizermeisterschaften und internationalen Wettkämpfen teilnahm, waren acht Eistrainings sowie eine Tanzstunde wöchentlich Programm. In den Sommermonaten wurden Konditions-, Kraft-, und Koordinationstraining ausserhalb der Eishalle relevant.

Sie haben viel Zeit in den Sport investiert. Was kommt zurück?

Unglaublich viel. Rückblickend betrachte ich das Eiskunstlaufen als Lebensschule: Es hat mich gelehrt, mit Druck und Niederlagen umzugehen, meine Grenzen auszuloten und Prioritäten zu setzen. Um Schule und Sport unter einen Hut zu bringen, war das Zeitmanagement das A und O. Ebenso habe ich gelernt, auf meinen Körper zu hören.

Wie wirkt sich das Eiskunstlaufen auf die Gesundheit aus?

Bei jedem Sprung, jeder Landung, jeder Drehung: Die Kräfte, die auf den Körper einwirken, sind immens. 2018 waren es chronische Sehnenentzündungen an beiden Beinen, die mich in die Knie zwangen – trotz langen, intensiven Therapiezeiten. Ich musste dem Leistungssport den Rücken zukehren. Aktuell stehe ich je einmal die Woche auf dem Eis und im Tanzsaal. Abgesehen von den körperlichen Aspekten, wirkt sich vor allem der enorme Leistungsdruck auf die mentale Gesundheit aus.

Viel Glitzer und Eleganz: Verfolgt man den Eissport im Fernsehen, sieht alles toll aus. Wie glamourös ist das Eiskunstlaufen wirklich?

Klar, nach aussen soll Leichtigkeit und Eleganz ausgestrahlt werden. Aber der Schein trügt. Blickt man erstmals hinter die Kulissen, erfährt man Druck, Frust und qualvolle Schmerzen. Davon abgesehen, ist es auch eine Frage der finanziellen Mittel. Diese Sportart wird leider nur selten unterstützt und die Möglichkeiten, hierzulande wirklich erfolgreich zu werden, sind gering.