Gicht als Wohlstandskrankheit?

Wenn in der Nacht plötzlich der grosse Zeh stark schmerzt, liegt der Verdacht auf einen akuten Gichtanfall nahe. Gicht ist weitverbreitet, rund drei Prozent der Männer ab 65 Jahren sind betroffen. Die Ernährung spielt in der Vorbeugung eine wichtige Rolle.

Ein akuter Gichtanfall tritt plötzlich auf und ist sehr schmerzhaft. Es handelt sich um eine Entzündung im Gelenk, ausgelöst durch Ablagerungen von Harnsäurekristallen. Typischerweise, aber nicht zwingend, ist zuerst das Grundgelenk des grossen Zehs betroffen. Generell erkranken ungefähr drei Prozent der Männer an Gicht, diese machen jedoch rund 80 Prozent der Gichtbetroffenen aus und das typische Alter für einen ersten Anfall liegt bei 40 bis 45 Jahren. Aufgrund der weiblichen Geschlechtshormone sind Frauen bis zur Menopause besser gegen Gicht geschützt und erkranken durchschnittlich erst zehn bis 15 Jahre später als Männer.

Der Hintergrund der Gicht liegt in einem zu hohen Harnsäurespiegel im Blut. Dieser verursacht an sich keine Beschwerden, sodass er lange unbemerkt bleibt. Übersteigt die Konzentration aber einen gewissen Schwellenwert, fallen Kristalle aus, die sich in den Gelenken ablagern und die akute Entzündung verursachen. Verschiedene Mechanismen führen zu erhöhten Harnsäurespiegeln, einerseits eine verstärkte Produktion von Harnsäure, andererseits eine reduzierte Ausscheidung über die Nieren. Risikofaktoren sind ein hoher Alkoholkonsum, Übergewicht, verschiedene Ernährungsfaktoren, bestimmte Medikamente, Nierenerkrankungen und ebenso spielt die genetische Veranlagung mit.

Die Optimierung des Körpergewichts und die Reduktion des Alkoholkonsums sind wichtige Faktoren.

Therapie in zwei Phasen

Bei der Behandlung eines akuten Gichtanfalls stehen die Entzündungshemmung und die Schmerzlinderung im Vordergrund. Es kommen nichtsteroidale Entzündungshemmer und Cortison zum Einsatz. Ist die akute Entzündung abgeklungen, geht es darum, den Harnsäurespiegel im Blut schrittweise zu senken, um weitere Anfälle zu vermeiden. Die Ernährungsumstellung ist die erste Massnahme. Reicht diese nicht aus, werden Medikamente eingesetzt, die den Abbau von Purinen zu Harnsäure hemmen.

Ernährung und Lebensstil beeinflussen Entstehung und Verlauf

Werden erhöhte Harnsäurewerte im Blut festgestellt, ist es wichtig, den Lebensstil und die Ernährung so umzustellen, dass weniger Harnsäure entsteht oder diese besser ausgeschieden werden kann. Die Optimierung des Körpergewichts und die Reduktion des Alkoholkonsums sind wichtige Faktoren.

Harnsäure ist ein Abbauprodukt von Purinen. So liegt es auf der Hand, purinreiche Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Innereien oder auch Hefe zu meiden. In den letzten Jahren wurde bekannt, dass ein weiterer, omnipräsenter Übeltäter mitverantwortlich ist: die Fruktose. Sie enthält zwar selbst keine Purine, erhöht aber im Rahmen ihres Stoffwechsels den Harnsäurespiegel spürbar.

Was sind also die wichtigsten Tipps für eine harnsäuresenkende Ernährung?

  • Meiden von Alkohol, speziell Bier
  • Starke Reduktion von Fruktose: keine Süssgetränke, keine Fruchtsäfte, kein zugesetzter Zucker (Zucker besteht aus Glukose und Fruktose) und generell weniger Süssigkeiten
  • Massvoller Konsum von Fleisch, Fisch, Meeresfrüchten und Innereien

Eine gesunde Ernährung ist immer auch eine antientzündliche Ernährung. Dieser Aspekt ist bei Gicht besonders wichtig. Deshalb ist der Konsum von viel frischem Gemüse und der moderate, aber regelmässige Konsum von zuckerfreien Milchprodukten, frischen Früchten, Nüssen und etwas Vollkorngetreide und Hülsenfrüchten vorteilhaft. Frische und getrocknete Gewürze, zum Beispiel Ingwer oder Kurkuma, Zwiebeln oder Sprossen sind ebenfalls empfehlenswert. Unterstützend können 500 mg Vitamin C pro Tag, antientzündliche Nahrungsergänzungsmittel aus der Apotheke oder auch Kaffee eingesetzt werden (siehe Box).

Sandra Müller

Fragen an Martina Gisler

Apothekerin

 Um welche Themen geht es meistens, wenn Sie Gicht-Patientinnen und -patienten in der Apotheke beraten?

Gicht ist eine Krankheit, die in hoffentlich wenigen akuten Schüben und langen Phasen dazwischen mit wenig oder gar keinen Symptomen verläuft. So passiert es oft, dass Patienten die prophylaktischen Medikamente nach einer gewissen Zeit nicht mehr regelmässig einnehmen oder ganz absetzen. Die Patienten suchen uns dann bei einem neu auftretenden Anfall auf und möchten die Medikamente ohne vorherige Arztkonsultation wieder erhalten. Deshalb müssen wir viel Aufklärungsarbeit zur Wichtigkeit der regelmässigen Einnahme der harnsäuresenkenden Medikamente betreiben und die Patienten auch zu regelmässigen Kontrollen beim Arzt motivieren.

Inwiefern unterscheiden sich Ihre Empfehlungen von denen bei anderen entzündlichen Gelenkerkrankungen?

Empfehlungen zur Ernährung sind bei allen entzünd­lichen Erkrankungen wichtig, stehen aber beim Gichtpatienten klar im Vordergrund, da der Harnsäurespiegel durch das Weglassen bestimmter Nahrungsmittel gut beeinflusst werden kann.