Vielen ist der Begriff Work-Life-Blending noch nicht geläufig, obwohl sie längst nach dem Modell arbeiten. Es steht für die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit und ermöglicht orts- und zeitunabhängiges Arbeiten. Doch ist das gesund?
Hand aufs Herz: Lesen Sie Ihre Geschäftsmails auch nach Feierabend? Haben Sie schon einmal einen Auftrag am Wochenende fertiggestellt? Oder im Urlaub den Anruf Ihres Vorgesetzten entgegengenommen? Erledigen Sie umgekehrt während der Arbeit Privates, wie das Auto in die Garage zu fahren, um die Winterreifen zu wechseln, waren Sie mit dem Hund für die jährliche Impfung beim Tierarzt oder haben Sie das Geburtstagsgeschenk für die Schwiegermama besorgt? Dann stecken Sie bereits drin, im Work-Life-Blending, dem Arbeitsmodell, das die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit aufhebt. Spätestens seit dem Digitalisierungsschub während des pandemiebedingten Lockdowns sind Homeoffice, hybrides Arbeiten oder Workation in vielen Unternehmen möglich. Ob Sie die Arbeit in Ihre privaten vier Wände holen, lieber teilweise im Büro und teilweise ausserhalb arbeiten oder ob Sie dort arbeiten, wo andere Ferien machen, also am Strand, in den Bergen oder in einer Metropole – die moderne Technik machts möglich. Diese Arbeitsformen sind beliebt und entsprechen dem aktuellen Zeitgeist. Denn sie erlauben orts- und zeitunabhängiges Arbeiten.
Ständige Erreichbarkeit kann krank machen.
Wann die Arbeit endet, wann die Freizeit beginnt und umgekehrt, ist unwichtig geworden. Durch den fliessenden Übergang ist mit Work-Life-Blending ein hochflexibles Arbeitsmodell entstanden, das auf individuelle Bedürfnisse der Arbeitnehmenden ausgerichtet ist. Die Vorteile liegen in der hohen Selbstbestimmung: Arbeitnehmende können ihre Zeit frei einteilen, wodurch mehr Freiräume entstehen, sie arbeiten selbstbestimmt, was die Zufriedenheit steigert und motiviert. Auch die bessere Vereinbarkeit von Familie, Freizeit und Beruf liegt auf der Hand. Sie können beispielsweise nachmittags mit Ihrem Kind auf den Spielplatz und abends Ihre Arbeit erledigen. Die Produktivität lässt sich steigern, weil Arbeitnehmende selbst entscheiden, wann sie welche Aufgaben erledigen oder wann sie morgens starten. Wer dem Chronotyp einer Eule entspricht, wird sich als ausgeprägter Nachtmensch freuen, wenn er den Arbeitsstart kompatibel zum eigenen Biorhythmus gestalten kann und nicht mehr an offizielle Arbeitszeiten gebunden ist. Nicht zuletzt ist es durch die hohe Flexibilität möglich, auch tagsüber zum Sport oder zum Einkaufen zu gehen, Hausarbeiten zu erledigen oder Arzt- und Friseurtermine wahrzunehmen. Sie müssen für zeitgebundene Privattermine nicht mehr frei nehmen, sondern können Ihre Arbeit einfach später fortsetzen. Doch Halt, wo bleibt die gute alte Work-Life-Balance, die jahrzehntelang gepredigt wurde?
Während die Verschmelzung von Arbeit und Freizeit lange Zeit als No-Go galt, ist sie mittlerweile Teil der neuen Normalität geworden. Work-Life-Blending gefährdet somit die Work-Life-Balance, die Arbeit und Freizeit als zwei unterschiedliche Lebensbereiche betrachtet, die strikt zu trennen sind, um ein gesundes Gleichgewicht zu erreichen. Tatsächlich halten Kritiker Work-Life-Blending für eine Mogelpackung. Die gelebte ständige Erreichbarkeit entspricht einer Arbeit auf Abruf und führt zu Überstunden und in der Folge zu Einbussen im Privatleben. Das Arbeiten im Verborgenen – wie es im Homeoffice der Fall ist – lässt Arbeitnehmende härter arbeiten, denn sie wissen nicht mehr, wann es genug ist und wann sie abschalten müssen. Das geht bis zur Selbstausbeutung. Der innere Konflikt, der dabei entsteht, kann Stresserkrankungen wie ein Burn-out oder eine Depression begünstigen. Wenn Sie merken, dass Sie nicht mehr abschalten können – holen Sie sich Hilfe.
Suzana Cubranovic
Beugen Sie Stresserkrankungen vor